Chitosan - aus Krabbenschalen Geld machen

Stand:
Nahrungsergänzungsmittel mit Chitosan sollen freies Fett binden, beim Abnehmen helfen oder den Cholesterinspiegel senken. Studienlage und Wirkung sind eher dürftig.
Chitosan – aus Krabbenschalen Geld machen

Das Wichtigste in Kürze:
Hat keine Wirkung!

  • Für Nahrungs­ergänzungs­mittel mit Chitosan gibt es keine wissen­schaftlichen Beweise für eine effektive Gewichtsreduktion.
  • Sofern nötig, werden Cholesterin­spiegel mit einer Kost­umstellung effektiver gesenkt.
  • Für Personen mit einer Krusten- oder Schalentier­allergie ist Chitosan tierischer Herkunft eher nicht geeignet.
  • Es gibt pflanzliche Produkte aus Pilzen.
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Was verspricht die Werbung?

Fettblocker mit Chitosan werden heute als Pulver oder in Kapsel- bzw. Tablettenform in Supermärkten, Reformhäusern und Apotheken und meist als Medizin­produkte angeboten. Sie unterliegen damit nicht dem Lebensmittel­recht und wirken prinzipiell rein physikalisch. Das enthaltene Chitosan soll angeblich bis zum Achtfachen seines Eigengewichts an Nahrungsfett binden. Die gewünschte Wirkung wird aber nur zusammen mit einer kalorienreduzierten Ernährung erzielt; das Produkt alleine reicht nicht.

Ein beantragter Health Claim zur Gewichtsreduktion durch Chitosan, also eine gesundheitsbezogene Angabe, um Chitosan in Lebensmitteln/Nahrungsergänzungsmitteln als Hilfe zum Abnehmen zu bewerben, wurde bereits 2011 von der EFSA mit "Wirkung nicht bewiesen" beurteilt und darf daher wegen Irreführung (Art. 7 (1) a  LMIV) nicht verwendet werden.

Nahrungs­ergänzungs­mittel, die Chitosan (Schalentier-Kutikula-Extrakt) enthalten, werden allerdings weniger zur Gewichtsreduktion als vielmehr zu Senkung des Cholesterin­spiegel­s angeboten. Tatsächlich ist die Aussage "Chitosan trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels bei" erlaubt, wenn gleichzeitig darüber informiert wird, dass dafür 3 Gramm Chitosan pro Tag aufgenommen werden müssen. Das heißt aber nicht, dass Chitosan einen erhöhten Cholesterinspiegel senkt und als Alternative zu entsprechenden Medikamenten dienen kann.

Auf was muss ich bei der Verwendung von Nahrungs­ergänzungs­mitteln mit Chitosan achten?

  • Ganz wichtig: Tierisches Chitosan kann für Personen mit einer Krusten- oder Schalentier­allergie gefährlich sein! Auf dem Produkt muss ein solcher Warnhinweis vorhanden sein. Auch wer auf Hausstaubmilben reagiert, sollte vorsichtig sein.
     
  • Da es sich um einen Quellstoff handelt, soll während des Tages ausreichend getrunken werden (ca. 2 bis 3 Liter).
     
  • Zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels ist eine Tagesmenge von mindestens 3 Gramm erforderlich.
     
  • Durch die teilweise Blockade von Nahrungsfetten kann die Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen und essentiellen Fettsäuren und auch von gleichzeitig eingenommenen Medikamenten (z.B. auch der Pille) verhindert werden. Bei Einnahme ist ein Abstand von mindestens vier Stunden (unter Umständen auch mehr) einzuhalten. Fragen Sie sicherheitshalber in der Apotheke nach.
     
  • Es wird empfohlen, Chitosan nur zu zwei von drei Hauptmahlzeiten einzunehmen, damit der Organismus ausreichend mit fettlöslichen Vitaminen versorgt wird.
     
  • Wer akute Verdauungsbeschwerden oder Erkrankungen wie Refluxkrankheit (GERD, Refluxoesophagitis), Magen-Schleimhaut-Entzündung (Gastritis), Stoffwechselstörungen,  Probleme mit dem Darm (Magen-Darm-Geschwüre, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Divertikulitis, Anzeichen eines Darmverschlusses (Ileus), Darmpolypen) hat, sollte auf chitosanhaltige Produkte besser verzichten.
     
  • Grundsätzlich sind unerwünschte Wirkungen wie Verstopfung, Blähungen und Glukoseintoleranz möglich.
     
  • Wenn Sie  regelmäßig Medikamente wie Mittel gegen Epilepsie oder Blutverdünner (Vitamin-K-Antagonisten) nehmen müssen, sollten Sie sich vor der Verwendung ärztlichen Rat einholen und sich am besten auch in der Apotheke (wegen der Hemmung bestimmter Medikamente) beraten lassen. Ärztlichen Rat sollten Sie auch suchen, wenn Sie an Diabetes leiden.
     
  • Die meisten Chitosanprodukte sind tierischer Herkunft. Möchten Sie Chitosan aus Pilzen einnehmen, sollten Sie auf den Hinweis "für Vegetarier/Veganer geeignet" achten.

Was ist Chitosan?

Chitosan stammt aus dem Griechischen und bedeutet Hülle oder Panzer. Chemisch gesehen ist es ein Polyamino­saccharid und wird auch als Poly­glucosamin bezeichnet. Es wird aus Chitin gewonnen; Hauptquelle sind die Schalen von Garnelen und Krabben. Deswegen sollten Personen mit einer Krusten- oder Schalentier­allergie besser keine Produkte mit Chitosan tierischer Herkunft nutzen. Im Prinzip ist Chitosan ein Abfallstoff aus der Lebensmittel­industrie (Schalen und Panzer von Krebsen, Krabben, Garnelen etc.) und dient normalerweise als Emulsions­stabilisator oder Bindemittel in Kosmetika.

Außerdem enthalten Pilze Chitin, einige auch Chitosan. Für vegetarisch oder vegan lebende Personen gibt es daher auch Produkte mit Chitosan, das nicht tierischen Ursprungs ist. Zur Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln sind „Chitosanextrakt aus Agaricus bisporus (Zuchtchampignon)“ oder „Chitosanextrakt aus Aspergillus niger (Schwarzschimmel)“ als neuartige Lebensmittelzutaten zugelassen. Ebenso zugelassen wurde ein Chitin-Glucan aus Aspergillus niger (Schwarzschimmel) und ein Chitin-Glucan-Komplex aus Fomes fomentarius (Zunderschwamm) für Nahrungsergänzungsmittel, beide bis max. 5 Gramm pro Tag.

Wie wirkt Chitosan?

Chitosan quillt auf und bildet ein leicht sättigendes Gel. An diese Gelstruktur werden ein Teil des Nahrungsfetts, andere fettlösliche Stoffe und Gallensäuren gebunden und unverdaut ausgeschieden.

Je nach Produkt sollen 20-25 g Nahrungsfett täglich gebunden werden können. Das wäre gerade ein Sechstel dessen, was Durchschnitts­deutsche pro Tag an Fett essen und damit zu wenig, um einen relevanten Effekt zu erzielen. Auch ist unklar, ob das nur im Reagenzglas oder auch im Körper wirklich in diesem Umfang funktioniert.

In Tierversuchen wurden deutlich höhere Chitosan-Mengen verwendet, die bei Menschen etwa 20-25 g Chitosan pro Tag entsprechen würden. Diese Studien können nicht als Wirksamkeitsbeleg dienen. Isgesamt ist die Studienlage eher dürftig. Zwischen 1996 und 2016 wurden neun Studien durchgeführt, nur eine ist von guter Qualität mit einem geringen Verzerrungspotential (BIAS). Drei Studien wurden von der Industrie gesponsert. Insgesamt lag die Zahl der Teilnehmer:innen  zwischen 10 und 125 pro Gruppe. Fünf Studien zeigten Erfolge, drei nicht. In einer oft zitierten "erfolgreichen" Humanstudie mussten die Teilnehmer gleichzeitig eine Diät mit nur 950-1000 kcal einhalten. Möglicherweise  sind bis zu 2 Kilogramm binnen 6 Monaten realistisch, langfristig reduziert sich das aber auf 500 Gramm. Studien von guter Qualität deuten auf eine fehlende Wirksamkeit. Diese Einschätzung teilt auch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA). Daher darf auf Lebensmitteln wie Nahrungsergänzungsmitteln nicht damit geworben werden, dass Chitosan das Gewicht reduziert.

Das wissen auch die Hersteller. Und so stehen dann in der Gebrauchsinformation Formulierungen wie „in Verbindung mit einer ausgewogenen, fett­normalisierten Ernährung (60-80 g Fett/Tag) und Bewegung“ oder „zur Unterstützung einer Reduktionsdiät.

Cochrane Österreich hat 2024 die Frage "Kann Chitosan stark übergewichtigen Menschen beim Abnehmen helfen und so deren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken?" geprüft und kam zum Schluss, dass das wahrscheinlich nicht möglich ist. Die Autorin König schreibt: "Um ihre Herzgesundheit zu verbessern, müsste z.B. eine 100 Kilogramm schwere Person mindestens 5 bis 10 Kilogramm verlieren. Mit Chitosan ist das Studien zufolge wahrscheinlich nicht möglich."

Da Chitosan Gallensäuren bindet und diese dadurch nicht wieder aufgenommen werden können, muss der Körper neue Gallensäuren bilden. Dafür wird Cholesterin benötigt, wodurch der Erhalt eines normalen LDL-Cholesterinspiegels (nicht die Senkung eines erhöhten Wertes) durch die Einnahme von ausreichenden Mengen Chitosan möglich ist.

 

Quellen:


Mhurchu C Ni et al. (2004): The effect of the dietary supplement, Chitosan, on body weight: a randomised controlled trial in 250 overweight and obese adults. Int J Obesity 28: 1149-1156

Jull AB et al. (2008): Chitosan for overweight or obesity. Cochrane Review, Stand Juli 2008 (abgerufen am 20.02.2024)

Nebenwirkungen: Bedrohliche Interaktionen mit Chitosan. arznei-telegramm 41,  2010, S. 15-6, abgerufen am 13.12.2022

EFSA (2011): Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to chitosan and reduction in body weight (ID 679, 1499), maintenance of normal blood LDL-cholesterol concentrations (ID 4663), reduction of intestinal transit time (ID 4664) and reduction of inflammation (ID 1985). EFSA Journal 9 (6): 2214

Verwendung von Glucosamin und dessen Verbindungen in Nahrungsergänzungsmitteln. Stellungnahme Nr. 032/2007 des BfR vom 15.06.2007, abgerufen am 20.02.2024

Batsis JA et al. (2021): A Systematic Review of Dietary Supplements and Alternative Therapies for Weight Loss. Obesity (Silver Spring) 29 (7): 1102-1113

Memorial Sloan Kettering Cancer Center: Chitosan. Purported Benefits, Side Effects & More. Stand: 29.03.2022 (abgerufen am 20.02.2024)

Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 der Kommission vom 20.12.2017 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel, Fassung vom 10.01.2024 (abgerufen am 20.02.2024)

Verordnung (EU) 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern, Fassung vom 17.05.2021 (abgerufen am 20.02.2024)

König T (2024): Chitosan: Wirkung zum Abnehmen fraglich. medizin transparent, Stand: 10.10.2024 (abgerufen am 21.10.2024)

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