App-Test »enerjoy - CO2 Footprint Coach«: Fit für den Klimaschutz

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Ein Emissionsrechner mit Tipps und Tricks zur Verkleinerung des eigenen CO2-Fußabdrucks? Das haben wir doch schon einmal gehört. Oder sogar sehr oft. Doch "enerjoy" will dem bekannten Konzept vieler Nachhaltigkeits-Apps mit seinem Coaching-Ansatz einen neuen Anstrich verpassen.

Wenn Sie bereits eine Handvoll oder mehr Testberichte gelesen haben, die wir innerhalb unseres Informationsangebots CliMapps veröffentlichen, werden Sie mit den Kernfunktionen und Wirkprinzipien von enerjoy innig vertraut sein: Basierend auf individuellen Konsum-, Ernährungs- und Mobilitätsgewohnheiten sowie dem persönlichen Wohnraum wird ein maßgeschneidertes Emissionsprofil errechnet, das über den dadurch verursachten Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen Auskunft gibt. Nun gilt es, diesen CO2-Fußabdruck auf eine Größe zu schrumpfen, die möglichst wenig zum Klimawandel beiträgt oder diesem sogar entgegenwirkt. Dies kann durch einen klimafreundlicheren Lebenswandel oder den Kauf sogenannter Ausgleichspakete bewerkstelligt werden. So weit, so mehrwertig fürs Klima. Aber wie macht der Anbieter seinen Kundinnen und Kunden dieses eher konventionelle App-Konzept schmackhaft?

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Name: enerjoy - CO2 Footprint Coach
Anbieter: Industrielle Werke Basel [IWB] (www.enerjoy.ch)
Kategorie: Umweltratgeber
Zielgruppe: Erwachsene
Betriebssystem: iOS | Android
Preis: kostenlos
Links: Apple App Store | Google Play Store

Datenschutz ist auch länderübergreifend ein Muss

App-Anbieter sind die Industriellen Werke Basel (IWB), ein öffentlich-rechtlicher Dienstleister für die Energie- und Wasserversorgung im Schweizer Kanton Basel-Stadt. Für enerjoy-Nutzer:innen in Deutschland spielt dieser Umstand eine untergeordnete Rolle, sprechen doch fast alle Funktionen der kostenlosen Software die internationale Sprache des Klimaschutzes. Sprich: enerjoy kann in Basel, Bamberg oder Bernau gleichermaßen ohne Abstriche zum Einsatz kommen. Für unseren prüfenden Blick auf die Wahrung von Verbraucherbelangen bei Gebrauch der App spielt die Unternehmensform der Anbieters aber eine gewichtige Rolle. In diesem Fall sind wir nämlich davon ausgegangen, die IWB als durch die öffentliche Hand finanzierter Dienstleister verfolge mit ihrer App nicht primär kommerzielle Interessen. Oder etwa doch?

Die ausgesprochen verständlich formulierten Datenschutzbestimmungen klären detailliert darüber auf, welche Daten bei der Nutzung von enerjoy verarbeitet werden. Zum einen sind dies Protokolldaten, also Informationen zum Betriebssystem des genutzten Smartphones, IP-Adresse und Nutzungsdauer; zum anderen Personendaten, also beispielsweise die für die Registrierung genutzte E-Mail-Adresse und die im CO2-Rechner gemachten Angaben zu Konsum und Verbrauch. Die gesammelten Daten werden zur technischen Instandhaltung und Weiterentwicklung der App genutzt, aber auch zu Analysezwecken. Außerdem nutzt enerjoy gemäß eigener Angaben Marketing-Cookies, um werbliche Angebote in Newslettern und externen Plattformen wie sozialen Netzwerken anzuzeigen. Personendaten werden zwar nicht an extern weitergegeben, Werbung für Dritte aber in den vom Anbieter genutzten Kanälen und Plattformen und auch innerhalb der App angezeigt. Ebenso wie Werbung für eigene Angebote. Eine Tatsache, der sich Verbraucher:innen vor der Registrierung und Einwilligung zum Einsatz von Cookies bewusst sein sollten. Immerhin ist die Registrierung dank des Verzichts des Anbieters auf ein Login per Facebook, Apple oder Google recht datensparsam. Noch besser wäre eine E-Mail mit Link zur Bestätigung der Registrierung gewesen, um die E-Mail-Adresse zu verifizieren. Stattdessen erscheint nur eine Nachricht im Postfach, die verkündet, die Reise mit enerjoy könne jetzt losgehen.

 

Verschiedene Funktionen der Klimaschutz-App "enerjoy"
enerjoy präsentiert sich aufgeräumt und intuitiv verständlich, auch wenn die App gelegentlich unvermittelt zu englischsprachigen Inhalten wechselt. (Quelle: Screenshots)

 

Vorbildlich in der Pflicht ...

"Tracking. Coaching. Challenges." Weder der erste noch der dritte Begriff lassen auf größere Innovationen seitens enerjoy hoffen. Doch für die Idee, sich durch die App mehr Kompetenz zum Klimaschutz im Alltag antrainieren zu lassen, sind wir sehr empfänglich. Hat man sich erst einmal durch einen Fragebogen zu eigenen Konsum- und Ernährungsgewohnheiten, Mobilität und Energieverbrauch getippt, berechnet enerjoy einen individuelle Statistik zum jährlichen Ausstoß von Treibhausgasen. Greifbar wird der in Kilogramm bemessene Gesamtwert dadurch, dass auch eine Prognose zur globalen Erwärmung erstellt wird, die eintreffen würde, wenn alle Menschen auf der Erde einen CO2-Fußabdruck vergleichbar mit unserem eigenen hätten. Das traurige Ergebnis in unserem Testbeispiel: Eine Plus von 2,7°C bis zum Jahr 2050. Dagegen muss etwas getan werden!

enerjoy möchte dies einerseits durch wöchentlich wechselnde Challenges erreichen, beispielsweise den Verzicht aufs Auto, die Umstellung auf eine komplett fleischlose Ernährung oder simple Handgriffe wie das Unterbrechen der Stromzufuhr von nicht genutzten Elektrogeräten oder sparsames Duschen. Dazu gibt es Tipps, deren Schwierigkeitsgrad bei der Umsetzung - ähnlich wie bei den Challenges, aber ohne zeitliche Befristung - von ambitioniert bis kinderleicht reicht. Darunter sind der Austausch der Heizung im Eigenheim, der Kauf von Secondhand-Kleidung und der Umstieg auf eine rein pflanzliche Ernährung. Hilfreich ist, dass die zur Maßnahme gehörige CO2-Einsparung auch auf einer Skala angezeigt wird. So lässt sich besser beurteilen, ob sie eher wenig zum Klimaschutz beiträgt oder ob es sich dabei um einen "Big Point" handelt.

Ein weiterer Beitrag für einen schmalen CO2-Fußabdruck ist die Leistung von Ausgleichszahlungen. Dabei handelt es sich um einen selbstgewählten Geldbetrag, den man in eine Klimaschutz-Initiative investieren kann. enerjoy stellt hier das Pflanzen und Schützen von Bäumen, die Schaffung sauberer Energien und die Bereitstellung effizienter Öfen für Menschen in Schwellen- und Drittweltländern zur Wahl. Der monatliche Mindestbetrag für einen solche Klimaspende ist CHF4,99 (~€5,20), der Betrag kann aber auch selbst festgelegt werden und nach oben sind sowieso keine Grenzen gesetzt. Alle monatlichen Spenden-Abos sind jederzeit kündbar und die Zahlungsabwicklung erfolgt durch den etablierten Dienstleister Stripe per Kreditkarte.

 

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Die enerjoy-Wissensinhalte schaffen ein Verständnis für die vielfältigen Aspekte des Themas Klimaschutz, sind aber teilweise werblich motiviert, was wir kritisch bewerten. (Quelle: Screenshots)

 

... und etwas enttäuschend in der Kür

Was die Alleinstellungsmerkmale von enerjoy betrifft, zeigt sich eine ernüchternde Nutzungserfahrung, wenn auch auf hohem Niveau. Unter dem Menüpunkt "Community" kann eine Gruppe erstellt werden, innerhalb der man sich mit dem Freundeskreis und anderen klimabegeisterten Menschen vernetzen kann. Alternativ kann man per Codeeingabe einer bestehenden Gruppe beitreten, beispielsweise innerhalb eines Unternehmens. Diese Funktion stand im Test nicht zur Verfügung, dürfte aber bei Mitarbeitenden im Team ihres Arbeitgebers für zusätzliche Motivation sorgen. Dabei handelt es sich um ein Angebot seitens Anbieter IWB an gewerbliche Kunden, das die App enerjoy zu einem Teil finanziert.

Der Menüpunkt "Feed" verspricht aktuelle Informationen, oder - wie es der häufige Verweis der App auf die "Community" vermuten lässt - Beiträge aus der eigenen Gruppe. Stattdessen zeigt sich eine Art Blog mit wöchentlich aktualisierten Beiträgen zu klimafreundlichen Aktionen und Hintergrundwissen. Ein teilweise bereicherndes Angebot, genau wie die unter "Coach" befindlichen Wissensbeiträge, die leider nicht immer frei von Werbung sind. Insbesondere unter der Überschrift "Produktempfehlungen" finden sich fast ausschließlich Lebensmittel, Abos, Kauftipps und Verweise auf Onlinedienstleister, die werblich motiviert zu sein scheinen. Gelungen sind hingegen die Wissenstexte ohne (mutmaßlich) kommerzielle Hintergedanken. Diese schaffen es wiederum, durch pointierte Formulierungen und Illustrationen zu vermitteln, welche alltäglichen Maßnahmen in den Bereichen Mobilität, Ernährung, Energie und Konsum den größten positiven Impact für den Klimaschutz haben.

 

Fazit

Mit seiner attraktiven Präsentation, kinderleichten Handhabung und gekonnten Vermittlung teils komplexer Wissensinhalte sammelt enerjoy Pluspunkte. Der zur Bewerbung der App häufig zitierte "Coaching"-Aspekt hingegen enttäuscht, da sich die dahinterliegenden Funktionen nicht maßgeblich von den Angeboten der meisten Mitbewerber unterscheiden. Außerdem wäre mehr Transparenz bei der Einbindung bezahlter Produktempfehlungen wünschenswert, da diese für weniger digitalaffine Verbraucher:innen nicht eindeutig als solche erkennbar sind.

Handhabung5 Sterne
Spaß3 Sterne
Mehrwert3 Sterne
Motivation4 Sterne
Datensparsamkeit2 Sterne
Gesamtwertung3 Sterne

Haben Sie Hinweise, Korrekturen oder sonstiges Feedback zu unserem App-Test? Ich freue mich über Ihre E-Mail an lohmeier[at]vz-bln.de. Danke für Ihr Interesse! (Patrick Lohmeier)

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