App-Test »Kleinanzeigen«: Kreislaufwirtschaft mit Hintertür?

Stand:
Wer gebraucht kauft, spart nicht nur Geld, sondern handelt obendrein auch noch nachhaltig. Wir testen das größte Online-Kleinanzeigen-Portal in Deutschland. Ein großes Aber beim Nachhaltigkeitsaspekt gibt es.
Grafik: Logo Kleinanzeigen

Entsprungen aus dem Auktionsgiganten „eBay“ entstand „Kleinanzeigen“ als provisionsfreie Plattform für Kleinanzeigen aller Art – ähnlich der Kleinanzeigen-Spalte in Tageszeitungen. Seit seinem Verkauf im Jahr 2023 an den norwegischen Konzern Adevinta tritt „Kleinanzeigen“ (kleinanzeigen.de GmbH mit Sitz in Berlin) namentlich losgelöst von eBay auf, auch wenn eBay selbst noch Anteile am Mutterkonzern hält. „Kleinanzeigen“ ist mehr als ein virtueller Flohmarkt, sondern eher wie ein schwarzes Brett, auf dem so gut wie alles angeboten werden kann. Von der Schallplatte über den Küchenschrank bis hin zum Auto oder Haus kann alles inseriert werden. Selbst Dienstleistungen oder Jobs können heute angeboten und gefunden werden. Im engeren Sinne ist Kleinanzeigen damit keine klassische Nachhaltigkeits-App – dennoch trägt die Plattform mit ihrem Angebot grundsätzlich zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bei. Warum sich dieser Gedanke ein wenig aufhebt, erklären wir. Dazu stellen wir die App und das dahinterliegende Portal vor und nehmen dies zum Anlass, unsere Schränke einmal etwas auszumisten. 

Off

Name: Kleinanzeigen
Anbieter: kleinanzeigen.de GmbH 
Kategorie: Müllvermeidung
Zielgruppe: Erwachsene  
Betriebssystem: iOS | Android
Preis: kostenlos
Links: Apple App Store | Google Play Store

Datensammelei zu Werbezwecken

Testen wir ein Angebot, schauen wir uns auch immer den Aspekt Datenschutz an. Bei Kleinanzeigen waren wir recht überrascht von der Datensammelwut, die einem entgegenschwappt, wenn man sich einmal die Informationen zu Werbung durchliest. Kleinanzeigen gibt an, folgende Daten zu erfassen: Typ und Einstellungen des Browsers, Informationen zum Betriebssystem des Geräts, Cookie-Informationen, Informationen über weitere, dem Gerät zugewiesene, Identifikatoren, die IP-Adresse, von der das Gerät auf die Website oder App zugreift, Informationen über Nutzeraktivitäten für das betreffende Gerät, einschließlich besuchter oder genutzter Websites und Apps und Informationen über den geografischen Standort des Geräts beim Zugriff auf eine Website oder App. Aus all diesen Daten darf Kleinanzeigen dann ein Nutzungsprofil erstellen, das beispielsweise zu Marktforschungszwecken, Optimierung von Marketingmaßnahmen und zielgerichteter Werbung genutzt wird – nicht nur von Kleinanzeigen, sondern auch von Dritten. Nimmt man die Google-Advertising-Partner hinzu, kommen dabei über tausend Drittanbieter heraus, die theoretisch Zugriff auf diese Daten haben. Noch schlimmer: Es darf sogar ein Datenabgleich zwischen den Anbietern stattfinden, um die individuellen Nutzungsprofile zu ergänzen. Das finden wir bedenklich und auch ein Stück weit pervertiert, da der Nachhaltigkeitseffekt durch Werbung für möglicherweise neue Konsumgüter, zu deren Kauf animiert wird, gewissermaßen aufgehoben werden kann. Wenn man so will, profitiert der Markt für neue Konsumgüter vom hiesigen Zweitmarkt. Will man das Angebot von Kleinanzeigen nutzen, sollte man sich bewusst sein, dass unter Umständen jeder Klick ausgewertet wird, um Werbung zu personalisieren. Umso mehr raten wir dazu, so viele Cookies und Berechtigungen wie möglich abzulehnen.

Betrug ist ein Problem auf der Plattform

Das Konzept hinter „Kleinanzeigen“ ist das einer C2C-Plattform – von Privatperson zu Privatperson. Inzwischen gibt es zwar auch die Möglichkeit, als gewerblicher Anbieter zu verkaufen, die DNA der Plattform beruht aber auf Privatverkäufen. Für Privatpersonen ist das Angebot vollumfänglich kostenfrei nutzbar. Weder für Käufer:in noch für Verkäufer:in entsteht eine Provision bei Kaufabschlüssen. Jedoch gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, eingestellte Artikel gegen ein Entgelt zu bewerben, sodass diese prominenter angezeigt werden. Kosten werden auch für die Nutzung des Bezahldienstes „OPP“ fällig, der hinter der Funktion „Sicher Bezahlen“ steckt. Bei einem Kauf wird hier ein Anteil für den Käuferschutz aufgeschlagen. Darüber hinaus finanziert sich das Portal aus Werbeanzeigen und Gebühren von gewerblichen Anbietern.

Der Marktplatz ist zwar auch ohne Konto durchsuchbar, eine Interaktion als Verkäufer:in oder Käufer:in ist jedoch nur nach vorheriger Registrierung möglich. Hierzu ist die Angabe einer E-Mail-Adresse beziehungsweise einer gültigen Handynummer nötig. „Kleinanzeigen“ versucht so gut es geht, Betrüger:innen auszuschließen, was erfahrungsgemäß leider eine Sisyphos-Aufgabe ist. Aus unserer Nutzungserfahrung wissen wir, dass Betrug ein enorm großes Problem auf der Plattform darstellt. Besonders gefragte Produkte wie Konzerttickets beliebter Künstler:innen, neue Smartphones oder Uhren, die auf dem Erstmarkt beispielsweise aktuell vergriffen sind, werden gerne und oft von Betrüger:innen genutzt, um Geld zu machen. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, hat Kleinanzeigen inzwischen ein Bezahlsystem integriert, das vor Betrug schützen soll. Davor lag die Kaufabwicklung komplett bei den Privatpersonen, ohne dass eine dritte Partei beteiligt war. War das Geld einmal überwiesen oder per PayPal oder anderen Zahlungsdienstleistern ohne Käuferschutz gesendet, musste die kaufende Person darauf vertrauen, dass der oder die Verkäufer:in den Artikel auch wirklich verschickt. Die rechtliche Handhabe ist in solchen Fällen kaum vorhanden und viele standen am Ende ohne Geld und ohne Ware da. Daher implementierte Kleinanzeigen die Möglichkeit einer Direktkauffunktion als „Sicher Bezahlen“, bei der die Zahlung über den niederländischen Zahlungsdienstleister „Online Payment Platform“ (OPP)  abgewickelt wird.

Will man diesen Service nutzen, müssen eine Reihe von persönlichen Daten wie Adresse, Konto- oder Kreditkartennummer (nur vom Anbietenden) hinterlegt werden, die dann vom Drittanbieter verarbeitet werden. Das Prinzip basiert auf einem Treuhandverhältnis. Bei einem Kauf wird dann das Geld so lange auf einem Treuhandkonto verwahrt, bis der Kaufende den ordnungsgemäßen Erhalt der Ware bestätigt hat. Erst dann wird der Betrag an den Verkaufenden ausgezahlt. Aus unserer Nutzungserfahrung wissen wir, dass es teilweise vier bis sieben Werktage dauert, bis OPP den Geldeingang bestätigt. Währenddessen sind die Verkäufer:innen im Unwissen darüber, dass die Zahlung auf dem Weg ist. Das kann mitunter zu Unmut führen. Laut unseren Recherchen ist sich OPP dieses Problems bewusst. Meldet der Kaufende ein Problem, wird die Transaktion erst einmal eingefroren, bis der Fall geklärt ist. Beide Parteien haben dann eine Art gegenseitiger Beweislast. Wie man sich denken kann, kann das mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein, zum Beispiel, wenn statt der gekauften Kamera ein anderer Gegenstand im Paket ist. Hier besteht definitiv ein Risiko, gegen das man sich kaum vollständig absichern kann. Wir empfehlen daher im Zweifel, alle Schritte per Video oder im Beisein eines Zeugen zu dokumentieren. Darüber hinaus gibt es noch weitere Betrugsmöglichkeiten[LK1] , zum Beispiel über betrügerische Zahlungsaufforderungen. Sobald der Gegenüber nach einer E-Mail-Adresse fragt sollte zumindest Vorsicht geboten sein. Auch sollten keinerlei persönliche Daten auf Seiten Dritter angegeben werden. Kurzum: Am besten ist wohl immer noch die persönliche Abholung vor Ort mit Barbezahlung.

Wer sucht, der findet

Das Angebot ist im Web oder als App nutzbar. Bei der Mobilanwendung fällt die schlanke, schicke und effiziente Gestaltung auf. Die Bedienung wirkt sehr intuitiv und gelernt. Der erste Reiter beheimatet die Startseite mit der Herzfunktion des Portals, der Suchfunktion. Darunter werden die zahlreichen Kategorien und Unterkategorien angezeigt sowie ein persönlicher Feed mit individuellen Vorschlägen. Die Suchfunktion ist ziemlich ausgefeilt, was es den User:innen erleichtern soll, die gewünschten Inserate ohne langes Suchen zu finden. Das ist auch wirklich nötig: Zum Zeitpunkt unseres Tests waren über 55 Millionen Inserate online. In den Filtermöglichkeiten können dann Sortierung, Ort, Preis, Kategorie und weitere Filter eingestellt werden. Einige Kategorien sind recht verästelt, was ein präzises Suchen ermöglicht. Bis hin zur Art des Artikels kann hier gefiltert werden. Wer über neu eingestellte Treffer zu seinem Gesuch informieren lassen möchte, kann zudem die Push Notifications nutzen.

Im zweiten Reiter können diese gespeicherten Suchen verwaltet werden. Ebenfalls sind dort die Favoriten untergebracht. Außerdem wird dort angezeigt, welchen Nutzer:innen man folgt. Stellen diese einen neuen Artikel ein, wird man informiert. Auch wenn ein gespeichertes Inserat angepasst wird, zum Beispiel im Preis, kann man sich per Push Notification informieren lassen.

Im dritten Reiter wird man selbst zum aktiven Inserent:innen. Hier können Gebote oder Gesuche eingestellt werden. Wie ausführlich diese ausfallen, obliegt jedem selbst. Erfahrungsgemäß helfen jedoch gute Fotos und eine detaillierte Beschreibung. Vor dem Veröffentlichen der Anzeige wird man gefragt, ob man die Direktkauffunktion aktivieren möchte. Hier sollte man darauf achten, ob die vorausgewählte Option auch tatsächlich der eigenen Präferenz entspricht.

Der vorletzte Reiter „Nachrichten“ ist sozusagen der Platz für den Austausch zu Inseraten. Hier wird verhandelt, gefeilscht und gedealt. Nutzer:innen können auch hinsichtlich ihres Auftretens und der mit ihnen verbundenen Erfahrungen bewertet werden. Gute Bewertungen wie „Sehr zuverlässig“ oder „TOP Zufriedenheit“ können zumindest ein Indikator seriösen Verkäufer:innen sein – müssen es aber nicht. Account-Hacking ist auf Kleinanzeigen erfahrungsgemäß leider ein massives Problem. Betrüger:innen erlangen dabei Zugang zu Profilen bereits registrierter Nutzer:innen und kapern deren Account, um das Geld für echte Inserate abzuziehen oder Fake-Inserate unter falschem Namen aufzugeben.

Im letzten Reiter ist der persönliche Bereich zu finden, in dem die eigenen Inserate aufgeführt werden und man diese verwalten kann. Hier wird unter seinem Profil auch die eigene Bewertung angezeigt. Verkauft man zum Beispiel besonders viel über die Plattform, erhält man das Attribut „Besonders nachhaltig“. 

Quelle: Screenshots

Fazit

Kleinanzeigen ist mit seinen über 55 Millionen Inseraten quasi konkurrenzfrei. Will man also etwas privat loswerden, kommt man um das Angebot kaum herum. Große Kritik gibt es an der Funktionalität der App zumindest nicht. Das Nutzungserlebnis ist gut und sehr intuitiv – egal, ob man als Verkäufer:in oder Käufer:in agiert. Kaufen und verkaufen gestaltet sich hier so leicht wie nur möglich. Bedenken sehen wir aber bei der Verwertung von Nutzungsdaten. Dass Kleinanzeigen die Daten geradezu aufsaugt und an zig verschiedene Dritte für Werbezwecke weitergibt, gefällt uns gar nicht. Denn das kann den Nachhaltigkeitseffekt unter Umständen aufheben. Auch wenn die Plattform inzwischen ein wenig ihrer ursprünglichen DNA verloren hat durch die Option von Direktkäufen oder die Zulassung gewerblicher Anbieter – ihren Basar-Charme findet man noch immer. Wer geschickt agiert, kann hier echte Schnäppchen machen oder nicht mehr gebrauchte Dinge noch zu gutem Geld umwandeln. Man ist wirklich überrascht, welche Dinge man doch noch los wird – selbst wenn man sie nur verschenkt. Das Beste: Auch wenn Nachhaltigkeit für die meisten Nutzer:innen wohl nicht der ausschlaggebende Grund für die Nutzung der Plattform ist, gibt es einen positiven Nebeneffekt. Denn die potenziell möglichen Auswirkungen auf Klima und Umwelt sind groß. Vom Ressourcengewinn, zur Anfertigung, über den Transport – neue Konsumgegenstände verursachen Treibhausgase und belasten das Klima. In einer nachhaltigen Gesellschaft mit dem Ziel einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sollte Secondhand daher wenn möglich die erste Wahl sein. Plattformen wie Kleinanzeigen helfen dabei, gebrauchte Produkte zugänglich zu machen, indem sie die notwendigen Infrastrukturen schaffen, und das Image von Gebrauchtem normalisieren. 

Handhabung5 Sterne
Spaß3 Sterne
Mehrwert4 Sterne
Motivation4 Sterne
Datensparsamkeit1 Stern
Gesamtwertung4 Sterne

Haben Sie Hinweise, Korrekturen oder sonstiges Feedback zu unserem App-Test? Ich freue mich über Ihre E-Mail an marian.kulig[at]verbraucherzentrale-nrw.de. Danke für Ihr Interesse! (Marian Kulig)

ClimApps Check Icon

CliMapps - Spielend einfach Klima schützen!

CliMapps ist Ihr vertrauenswürdiger Begleiter durch die Welt der Klimaschutz-Apps. Wir testen digitale Lösungen für mehr Nachhaltigkeit und umweltbewussten Konsum im Alltag. Und was uns dabei ganz wichtig ist: Es soll Spaß machen!

Förderhinweis BMUV

Fernbedienung wird auf Fernseher gerichtet

Klage wegen service-rundfunkbeitrag.de gegen SSS-Software Special Service GmbH

Die SSS-Software Special Service GmbH macht auf service-rundfunkbeitrag.de nicht ausreichend kenntlich, dass sie Geld für eigentlich kostenlosen Service verlangt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband klagt vor dem OLG Koblenz auf Unterlassung und hat eine Sammelklage eingereicht.
Grafische Darstellung einer Frau, die ungeduldig auf ihre Armbanduhr schaut. Rechts daneben befindet sich das Logo von Cleverbuy, darunter eine Grafik von einem Smartphone, von der ein roter Pfeil auf einen Stapel Euroscheine führt. Rechts daneben befindet sich ein großes, rotes Ausrufezeichen, in dem "Warnung" steht.

Warnung vor Cleverbuy: Auszahlung lässt auf sich warten

"Clever Technik kaufen und verkaufen" heißt es auf der Website der Ankaufplattform Cleverbuy. Gar nicht clever ist die oft lange Zeit, die verstreicht, bis Nutzer:innen ihr Geld für Smartphone und Co. ausgezahlt bekommen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt daher vor dem Anbieter.
Besorgt dreinblickender Mann, der auf seine Kreditkarte schaut, während er mit seinem Mobiltelefon spricht.

Der vzbv stellt fest: Banken tun nicht genug gegen Kontobetrug

Opfer von Kontobetrug bleiben in vielen Fällen auf dem Schaden sitzen, denn: Banken werfen ihnen grobe Fahrlässigkeit vor. Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) müssten Banken jedoch mehr tun, um Verbraucher:innen zu schützen.